Der Thieplatz von Räbke
Versammlungs-, Gerichts- und Festplatz
Der Räbker Thieplatz ist der einzige in voller Größe erhaltene Thieplatz im Braunschweiger Land. Um ihn vor Überbauung zu schützen, wurde er in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und war bis 2017 der wichtigste Festplatz des Ortes.
Der von Kastanien gesäumte Platz von ca. 70 x 70 m, der im Südwesten einen mit Linden bestandenen Hügel umfasst, liegt von weither sichtbar am Rande des Ortes am Übergang zur offenen Feldmark.
Bis um die Mitte des 19. Jh. hatten die meisten Dörfer des Braunschweiger Landes einen Thie, der wie in Räbke am Dorfrand lag. Meist sind die alten Versammlungsplätze in Ackerland umgewandelt worden. Der Name Thie hat sich jedoch häufig in Flur- oder Straßennamen erhalten.
Was ist ein Thie?
Thieplätze (wissenschaftlich Tie) führen zurück in die Zeit, als die meisten Dorfbewohner des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren und die heute selbstverständlichen Informationsquellen Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internet noch in ferner Zukunft lagen. Öffentliche Bekanntmachungen der Obrigkeit mussten gehört werden. Versammlungsplatz der Dorfgemeinschaft dafür war der Thie. Hier wurden die Neuigkeiten der Hofberichtserstattung wie Hochzeit, Geburt etc. an den Adelshöfen, Abkommen und Friedensverträge aber auch Anordnungen verkündet. Einberufen wurden die Versammlungen vom Dorfvorsteher, dem Bauermeister. Dieser führte auch den Vorsitz, wenn Angelegenheiten der Dorfgemeinschaft zu beraten waren oder beim Bauergericht über kleinere Vergehen wie Diebstahl, Betrug oder Grenzstreitigkeiten zu Gericht gesessen wurde. Noch 1914 wurde der Ausbruch des ersten Weltkrieges den Räbkern auf dem Thie verkündet.
Das Wort Tie ist auf das mittelniederdeutsche Tî (Aussage) und dem davon abgeleiteten zîhan (zeihen, anklagen, beschuldigen) zurückzuführen. Dieses Wort hat sich in verzeihen oder der Redewendung jemanden des Unrechts zeihen erhalten. Mit dem Wort Thing, das die Versammlung der freien Männer bei den Germanen bezeichnet, hat der Begriff Tie nichts zu tun.
Brauttanz, Mädchen- und Sommerfest
Der Brauttanz auf dem Thie war im 19. Jahrhundert fester Bestandteil der mehrtägigen Hochzeitsfeierlichkeiten. Auf dem Rasen hatte die Braut mit jedem Tänzer, der Bräutigam mit jeder Tänzerin drei Tänze zu tanzen.
Am 24. Juni, zu Johanni, wurde das Fahnenfest gefeiert, das die Räbker Mädchen ausgerichteten. Sie bezahlten die Musikanten und rund um die in die Erde gesteckte Fahne wurde getanzt.
Bis 2017 fand alljährlich das dreitägige Räbker Sommerfest, das die Vereine abwechselnd ausrichteten, mit Umzug, Festzelt, Darbietungen, Tanz und Karussell auf dem einladenden Platz unter den Linden und Kastanien statt.
Die sieben Linden
Auf dem kleinen Hügel im Südwesten des Platzes standen einst sieben prächtige Linden, die in den 1970er Jahren gefällt worden sind. Die heutigen Linden sind Neuanpflanzungen. Unter den Bäumen befand sich vermutlich die Gerichtsstätte, die ursprünglich mit einer Einfassung sowie einem Gerichtstisch und Bänken ausgestattet war.
Eine Räbker Sage berichtet, dass die Linden für sieben im 30jährigen Krieg gefallene Offiziere gepflanzt worden seien. Friedrich dem Großen sollen sie so gut gefallen haben, dass er auf seiner Hochzeitsreise eine Rast unter den prächtigen Bäumen einlegte.
Archäologische Funde
Die ältesten Funde vom Räbker Thieplatz sind mehrere steinerne Äxte und Beile aus der Zeit um 4000 bis 3000 vor Chr.. Sie belegen, dass die Gegend am Hang des Elms schon in der Jungsteinzeit besiedelt war.
Spinnwirtel und Gefäßscherben zeugen von der mittelalterlichen Nutzung des Thies. Ob der erhöhte Platz mit den Linden auf einen vorgeschichtlichen Grabhügel zurück geht, kann nur eine Ausgrabung klären.
Dr. Monika Bernatzky
Die Schunter
Seit Mitte Mai 2019 müssten die Niedersachsen die Schunter eigentlich kennen. Dieses Flüsschen II. Ordnung, das in einem Quelltopf am Nordosthang des Höhenzuges Elm entspringt und mit einer mittleren Stromgeschwindigkeit von 2 Metern in der Sekunde nach knapp 60 Kilometern in die Oker bei Walle nördlich Braunschweig mündet, verband die Veranstaltungsorte der 2. Niedersächsischen Gewässerwoche. Diese begann im Quellgebiet bei Räbke und endete an der Mündung.
Wir Räbker vereinnahmen die Schunter gern für unsere Zwecke; ist unser Dorf doch das Erste im Braunschweiger Land, das sie durchfließt – sogar mehrgeteilt durch so genannte Mühlengräben. Und auch der Dorfname wird in der Bedeutung „Rietbeeke/Redepke“ auf die Schunter zurückgeführt.
Wasser bedeutet sowohl Leben als auch Energie aus der Natur. Das war schon immer so. Im 13. Jahrhundert waren es die Wassermönche, die Zisterzienser aus Mariental, die die erste Mühle am „Strom“ der Schunter errichteten und weitere sechs folgten im Dorf über die Jahrhunderte. Logisch gedacht, denn Wassermenge und Gefälle ließen eine erste Mühle bereits 800 Meter nach den Quellen zu. Zusätzlich kam das reine Wasser des Flusses den Papiermachern im Dorf ab dem 16. Jahrhundert zugute.
Die Schunter wurde erstmals 997 als Scuntera (von scunda = beschleunigen?) urkundlich erwähnt. Sie entspringt als Karstquelle bei Räbke im Elm auf 175 Meter Höhe, fließt zunächst ein kurzes Stück nordöstlich, um schließlich in nordwestlicher Richtung einen großen Bogen zu beginnen, der sie am nördlichsten Punkt bei Hattorf bis kurz vor Wolfsburg führt. Bei der anschließenden südwestlichen Fortsetzung des Bogens erreicht sie bei Hondelage/Braunschweig und gelangt schließlich über Querum zur Schuntersiedlung, wo sie eine Breite von ca. 7 Metern aufweist. Dort hätte sie zwar nur noch 1.700 Meter bis zur Oker. Sie knickt jedoch beim Butterberg in nördlicher Richtung ab, um erst weit hinter Braunschweig im Dreieck Walle-Rothemühle-Schwülper auf 61 Meter Höhe in die Oker zu münden.
Transport auf dem Fluß
Die Schunter wurde im 18. und 19. Jahrhundert auch zum Warentransport genutzt. Sie war Teil eines Schiffahrtsweges vom Elm nach Braunschweig, um Holz und Steine zum Bau und zur Feuerung in die Stadt zu schaffen. Über mehrere Schleusen und den im Lauf der Mittelriede angelegten Schunterkanal erreichte man mit getreidelten Flößen und Booten einen Hafen im Bereich des heutigen Botanischen Gartens in Braunschweig.
Leben im Bach
Der Schunterlauf prägt den dörflichen Charakter von Räbke. Der ökologische Zustand des Gewässers der Schunter hat sich in den letzten Jahren spürbar verbessert. So wird der vom Lösslehm geprägte Tieflandbach vor und hinter dem Dorf mit der Güteklasse II bewertet. Die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sind somit erfüllt. Im Zuge der Umsetzung der WRRL hat sich die Bewirtschaftung durch den Unterhaltungsverband Schunter positiv verändert. So wurde zeitlich und räumlich variierendes Mähen eingeführt, teilweises Belassen von Kies und Steinsubstrat, Anpassung der Arbeiten durch die Laichzeiten von Fischarten und der Blüten- sowie Samenbildung typischer Gewässerpflanzen. Hierbei ist die Balance mit dem Hochwasserschutz zu halten, der ein schnelles Abfließen von großen Wassermassen erfordert. In den letzten zehn Jahren sind ca. 2.500 kleine Bachforellen durch den ortsansässigen Pächter ausgesetzt worden, die sich insbesondere im naturnahen Schunterverlauf zwischen Räbke und Frellstedt wiederfinden.
Trotz der ehemals 7 Mühlen, die bis zu 5 Meter Höhenunterschied nutzen konnten, ist die Schunter durch die Teilung des Bachlaufes als durchgängig zu betrachten. So ist bei der Er-neuerung des Wehres vor zwei Jahren die Vorarbeit für eine Fischtreppe erfolgt, um auch kleineren Fischarten die Wanderung bis zur Quelle zu ermöglichen. Neben Bachforelle, Gründling, Schmerle und weiteren Arten, sind auch der Schwarzstorch, der Grau- und Silberreiher sowie der Rotmilan anzutreffen.
2019 wurde der rund 70 km lange Schunterradweg eröffnet, der von der Mündung des Flusses in die Oker, bei Groß Schwülper, flussaufwärts zur Quelle im Elm bei Räbke führt.
Nicht zu vernachlässigen: Zwischen Räbke und den Schunterquellen liegt unser Freibad, der Schuntersee und der Ferienpark Nord-Elm, die zu unterschiedlichen Aktivitäten wie zum Beispiel Schwimmen, Wandern und Minigolf spielen einladen.
Es soll allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass Räbke schon immer als ein sehr schönes Dorf galt, allerdings in der Vergangenheit auch als ein schmutziges. Schunter und Mühlengraben sorgten dafür, dass das Vieh „ins Wasser stieg“. Und nicht nur die Enten. Die Pferdeschwemme im Dorfzentrum erinnert noch heute daran.
In einem Text von Friedrich Baars aus 1962 heißt es:
Skuntari (Die Schunter)
Im Morgenschein spiegeln am Bache sich hell
die schattigen Buchen im steinigen Quell.
Der Wanderer atmet in waldfrischer Luft
der blühenden Nelken, des Waldmeisters Duft.
Es rauscht in den Erlen,- Hell sprudelt’s hervor,
wie gleißende Perlen im blinkenden Moor.-
Aus rieselnden Quellen ein silbernes Band
eilt hurtig hinunter ins Braunschweiger Land.
Skuntari, die schnelle, die Tochter vom Elm,
die Schunter, die helle,- ein lustiger Schelm,-
bald schäumend und wild aus dem tauenden Schnee,
bald ruhig, gelassen von sonniger Höh.
C.L.
Mühle Liesebach im 7-Mühlen-Dorf Räbke
Sieben Wassermühlen klapperten einst in Räbke im Verlauf von Schunter und Mühlengraben. Sie machten Räbke zu dem Mühlendorf an der Niedersächsischen Mühlenstraße.
Als Inhaber einer so genannten Handelsmühle produzierte der letzte Müller in der Armen Reihe, Richard Liesebach, bis 1954 feinstes Weizen- und Roggenmehl (Marke Elmgold), ehe er die Müllerei wegen der überlegenen Konkurrenz der Großmühlen um Braunschweig herum aus wirtschaftlichen Gründen einstellten mußte.
Seit 2009 kümmert sich ein Förderverein, der mittlerweile fast 180 Mitglieder umfasst, um die mit allen erforderlichen Systemen ausgestattete Mühle Liesebach (gegründet 1236) auf der Räbker Mühleninsel. 210.000 Euro wurden in das Mühlengebäude und die Mühlentechnik investiert. Ein Großteil davon durch Hermine Liesebach. Neben den gewerblichen Leistungen wurden über 1.700 Stunden ehrenamtlich von Räbker Bürgern und Bürgerinnen und aus dem Umfeld geleistet.
Technisch bewegt das unter Einbezug alter Teile erneuerte Mühlenrad über Getriebe und Transmission einen Steinmühlengang und einen Schrotwalzenstuhl. Darüber hinaus wird bei ausreichendem Wasserstand der Schunter elektrischer Strom produziert. Bis heute wurden über 30.000 kWh Strom in das Netz der Avacon eingespeist.
Die Mühle Liesebach hat sich zu einem Identität stiftenden Objekt der Dorfgeschichte entwickelt, mit dem Anspruch, Menschen der Region zusammenzuführen und den ländlichen Raum zu stärken. Zu erkennen an der Teilnahme am Deutschen Mühlentag, der regelmäßig Tausende von Besuchern – in diesem Zusammenhang auch grenzüberschreitend – nach Räbke und in die Elm-Börde-Region zieht.
Der moderne Versammlungsraum des Mühlenkomplexes wird als Stätte für Begegnung, kleinere Tagungen, Versammlungen, Konzerte und für familiäre Feiern im Mühlenambiente genutzt. Bisher gut 120 Besuchergruppen brachten zusätzlich 2.500 Interessierte in das technische Denkmal.
Nicht zuletzt ist die Mühle auch offizielle Einkehrstätte für Pilger, denn sie liegt mit Räbke am Braunschweiger Jakobsweg, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut.
Als letztes technisches Großprojekt wurde die Instandsetzung des Lastenfahrstuhles in Angriff genommen. Die Konzeption dazu wurde von Prof. Dr. Ludger Deters, Universität Magdeburg, erarbeitet. Geplant ist weiterhin eine ständige Ausstellung zur Räbker Mühlengeschichte mit dem Schwerpunkt „Papiermüllerei“. Denn drei Papiermühlen versorgten die Professoren der Helmstedter Universität ab dem 16. Jahrhundert mit dem Produkt aus der „weißen Kunst“.
Schauen Sie rüber zur Mühle Liesebach…
C.L.
No. 24 – Ein Haus erwacht aus dem Dornröschenschlaf
Wachgeküsst
Über fünfzig Jahre war es unbewohnt, das sogenannte Geisterhaus in Räbke. Es hatte wohl kaum noch jemand an eine Rettung geglaubt, aber nun hat das Objekt nach langem Warten endlich neue Eigentümer gefunden und dadurch seine Chance auf Erhaltung.
Erst als die Familie Peltzer-Montfort auf das Haus aufmerksam wurde, den kulturellen Wert erkannte und sich nicht von dessen Zustand abschrecken ließ, waren endgültig die künftigen Besitzer gefunden.
Mit Tatkraft und klaren Vorstellungen ist nun die Sanierung des Gebäudes begonnen worden. Verfolgen Sie in dieser Foto-Galerie das Wiedererwachen eins alten Fachwerkhauses.
In dem Bautagebuch „Hauptstraße 24“ können Sie die Details dazu nachlesen.
Klaus Stümpel
Der 1941 in Braunschweig geborenen Klaus Stümpel war ein deutscher Bildhauer, Grafiker und Maler.
Zwischen 1969 bis 1974 studierte er freie Malerei an der Hochschule für Bildende Künste (HBK) in Braunschweig.
Von 1975 und 1980 war er dort zuerst Lehrbeauftragter und später, von 1983 bis zu seiner Emeritierung 2006, Professor für Akt und Natur an der HBK.
Klaus Stümpel lebte und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahre 2015 in Räbke und im italienischen Acquapendente.
Sein Atelier in Räbke ist bis heute im Original erhaltenen, fast so, als hätte er gestern dort noch gewirkt. In der unten folgenden Bilder-Galerie können Sie davon einen Eindruck gewinnen.
Weitere Informationen zu seinem Leben und Werk finden Sie in Wikipedia.
Details zu Common Creatives: [CC BY-SA 4.0]